Quo vadis Online-Meetings?

Online-Meetings werden sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren deutlich verändern. Zum einen wird es in vielen Unternehmen und Organisationen sehr viele Veränderungsprojekte geben. Und ich bin überzeugt, dass diese Veränderungen auch vor Meetings keinen Halt machen werden. Wir werden die zahlreichen Schwachstellen von Meetings nicht nur identifizieren, sondern auch an deren Beseitigung arbeiten. Und es wird auch bei Online-Meetings eine Reihe von technischen Weiterentwicklungen geben. Die ersten Themen klopfen schon an die Tür.

Weniger Online-Meetings

Meine erste Prognose für Online-Meetings lautet, dass wir zukünftig deutlich weniger Online-Meetings haben werden als bisher. Während der Pandemie ist die Anzahl der Meetings um ca. 13 % gestiegen, während die Meetingzeiten gesunken sind. D.h. es wurden kürzere Meetings online durchgeführt. Diesen dienten in der Regel schnellen Abstimmungen sowie einem Informations- und Statusabgleich.

Diese kurzen Meetings – und darüber hinaus auch viele weitere kurzfristige Störungen – werden aus meiner Sicht entfallen müssen. Denn diese unterbrechen den Arbeitsablauf der Beteiligten. Und es ist inzwischen erwiesen, dass es nach einer Unterbrechung mehrere Minuten dauert, bis man an der vorherigen Aufgaben wieder voll konzentriert weiterarbeiten kann. Diese Zeitverschwendung und vor allem den Konzentrationsaufwand müssen wir und werden wir angesichts der weiteren Anforderungen deutlich herunterfahren. Denn die oben schon erwähnten Veränderungsprojekte erfordern einen immensen Zeitbedarf und vor allem konzentrietes Arbeiten.
Mehr dazu in dem überaus empfehlenswerten Buch Konzentriert arbeiten von Cal Newport, der detailliert beschreibt, welche Erfolge sich mit konzentrierter Arbeit erreichen lassen.

Reduzierung der Meetingzeiten

Wir werden die Zeiten pro Meeting weiter reduzieren (müssen), wie ich im Folgenden zeigen werde. Wir werden weniger Alltagsthemen und Informationsweitergabe in den Meetings haben.
Informationen werden auf anderen Wegen geteilt, vorzugsweise über Kollaborationstools wie Slack oder Teams oder im Intranet von großen Unternehmen und Organisationen. Alternativ gibt es noch die gute alte Mail. Oder als komplett andere Alternative eine Audio- oder Videoaufnahme. Und wer sich nicht selbst vor eine Kamera stellen und einen Film aufzeichnen möchte, der kann auch ein KI-Text-to-Video-Tool nutzen und die Künstliche Intelligenz für sich arbeiten lassen.
Das hat den Vorteil, dass die Teilnehmenden die Informationen zu dem Zeitpunkt aufnehmen werden, der in ihren individuellen Arbeitsablauf passt. Die Teilnehmenden können die Informationen können ggf. auch wiederholt anschauen, um z.B. Details genauer zu verstehen. Es ist auf diesem Wege also mit einem geringeren Informationsverlust zu rechnen als bei einem Meeting.

Drei wichtige Gründe, warum wir Meetingzeiten deutlich reduzieren müssen:

  1. Aufgrund der großen Herausforderungen wie Klimawandel, Energiekrise, Inflation, Auswirkungen der Pandemie steht jedes Unternehmen und jede Organisation vor großen Veränderungen. Und für diese Transformations- und Innovationsprozesse benötigen wir deutlich mehr Zeit als bisher. D.h. wir müssen unsere Tagesprozesse deutlich verschlanken, um Kapazitäten für Projekte zu gewinnen.
  2. Und wir benötigen nicht nur für die oben erwähnten Projekte mehr Zeit, sondern auch Zeit zum Lernen. Wie wir alle sehen, verändert sich durch den Einsatz von Chat GPT und weiteren KI-Tools die Arbeit. Und der produktive Umgang mit diesen Tools muss gelernt werden. Und hier sind die Entwicklungen im Moment so rasend schnell, dass viel im (zeitaufwändigen) Selbststudium erarbeitet werden muss.
  3. Darüber hinaus verzeichnen wir in vielen Branchen und Unternehmen einen Fachkräftemangel. D.h. weniger Beschäftigte werden die vorhandene Arbeit muss nicht nur auf weniger Köpfe verteilt, sondern die Prozesse müssen neu gestaltet werden, um die Anforderungen zu erfüllen.
    Und durch den Weggang vieler Fachkräfte verursacht, muss auch das Speichern und Teilen von Wissen neu gedacht und organisiert werden.

Die drei genannten Punkte verstärken sich gegenseitig. Verantwortliche werden die Alltagsarbeit aller Beteiligten daher genau analysieren und anpassen, um die zukünftigen Anforderungen erfüllen zu können. Und der Druck wird so groß werden, dass dadurch auch (endlich) Meetings in den Fokus rücken und die dringend notwendige Zeitreduzierung erfahren.

Erste Tipps, wie du Meetingzeiten reduzieren kannst, findest du in meinem Blog.

Mehr Kompetenz in Moderation und Facilitation

Die Kompetenzen in der Gestaltung und Durchführung von Meetings hat sich bisher auf die Erstellung eine Agenda und die Protokollerstellung fokussiert. Da sich die Meetingzeiten jedoch wie oben geschildert deutlich reduzieren müssen, sind auch mehr Kompetenzen in der Durchführung von Meetings gefordert als bisher. Welche 57 Fähigkeiten ich für die Gestaltung guter Meetings sehe, habe ich vor einigen Monaten schon mal beschrieben.

  1. Es muss im Team geklärt werden, welche Themen zukünftig nicht mehr in Meetings besprochen werden, damit diese in kürzerer Zeit ablaufen. Dazu gehört – wie schon oben ausgeführt – Informationsmitteilungen oder Statusmeldungen aus Meetings herauszunehmen.
  2. Dazu gehört des Weiteren eine Moderationskompetenz. Welche Methoden und Tools bringen alle Teilnehmenden in einen konstruktiven Austausch? Wie können Kreisdiskussion vermieden werden? Wie kann ein guter Umgang mit Vielrednern aussehen, um nicht nur alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen, sondern auch klar bei der Agenda zu bleiben?
  3. Und dazu gehört auch die Kompetenz, welches Meetingformat und welches Tool das angemessene für die jeweilige Team-Situation und das jeweilige Thema ist.

Wichtige strategische Themen, Meilensteine in Innovations- und Change-Projekten sowie die Workshops für eine bessere Zusammenarbeit werden in Vor-Ort-Meetings – vorzugsweise in ausgewählten Locations – gelegt. Auch hier zeigt sich die steigende Kompetenz in Moderation und Facilitation: Die Arbeit an Meetings wird wichtiger und mehr, sodass die Arbeit in Meetings besser wird.

Immersive Online-Meetings

In der ersten Zeit nach Ausbruch der Corona-Pandemie waren viele Teilnehmende sehr zufrieden mit der Möglichkeit von Online-Meetings. Nach einem halben Jahr kamen aber immer mehr Fragen und auch eine Zurückhaltung auf. Dies bezog sich zum einen auf die eingeschränkte 2D-Wahrnehmung des Raumes und der Beteiligten. Und zum anderen reduzierte sich die Sinneswahrnehmung auf Sehen und Hören. Das sensorische Wahrnehmen sowie die Geruchswahrnehmung bezogen sich ausschließlich auf den jeweils eigenen Raum der Teilnehmenden.

Es wird selbstverständlich werden, dreidimensionale Avatare von uns zu erstellen, sich mit diesen im Raum zu bewegen. Und evtl. werden wir auch in der Lage sein, Gerüche in diesem Raum wahrzunehmen. Unsere Wahrnehmung im digitalen Raum wird immersiver werden. Darüber hinaus werden aus der Bewegungslosigkeit vor dem Bildschirm herauskommen und uns im Raum bewegen. Ich gehe davon aus, dass wir uns in zukünftig virtuell deutlich mehr in dreidimensionalen Räumen aufhalten werden – sei es nun im Metaverse oder ähnlichen Räumen.

Wir werden damit bei Online-Meetings ganz bewusst einen anderen Raum gestalten als das gemeinsame Vor-Ort-Aufeinandertreffen – und nicht versuchen, Vor-Ort-Treffen digital nachzubilden. Denn dann werden sie das immer bleiben: eine mehr oder weniger gut gelungene Nachbildung von Vor-Ort-Treffen.

Damit ist es auch offensichtlich, dass wir noch bewusster entscheiden müssen, welches Meeting in welchem Raum stattfinden wird.

Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Online-Meetings

Die Künstliche Intelligenz wird auch vor Online-Meetings nicht haltmachen – ganz im Gegenteil. Künstliche Intelligenz wird uns bei der Organisation und Gestaltung von Meetings massiv unterstützen:

  1. Vorbereitete Texte können in Audio- oder Videodateien transformiert und den Teilnehmenden vorab zur Verfügung gestellt werden.
  2. Des Weiteren können Texte, die zur Verfügung stehen, durch die KI in Stichworte umgewandelt und z.B. auf Whiteboards transformiert werden.
  3. Durch Spracherkennungstools werden Zusammenfassungen oder Protokolle automatisch erstellt.
  4. Spracherkennungstools werden die Redeanteile von Teilnehmenden analysieren und Vorschläge machen, dies zu verändern, sodass alle Beteiligten zu Wort kommen.
  5. Spracherkennungstools werden analysieren, mit welchen Themen wir uns in Meetings befassen und ob diese im Verbindung mit den Unternehmenszielen stehen: Sprechen wir uns Meetings nur über Alltagsprobleme und bleiben in der Vergangenheit stecken – oder arbeiten wir lösungsorientiert an Zukunftsprojekten? Die KI könnte uns hier den Weg weisen.

Fazit

Ich sehe der Zukunft von Online-Meetings sehr positiv entgegen. Meetings werden in den nächsten Jahren deutlich besser werden. Wir werden uns mehr mit der Zielsetzung von Meetings auseinandersetzen, weniger Meetings machen und die Kommunikation in den Meetings verbessern. KI-Tools werden uns dabei unterstützen.

5 Gedanken zu „Quo vadis Online-Meetings?“

    • Liebe Stefanie,

      ja, KI könnte einiges vereinfachen. Ich lenke meinen Blick auf die Chancen, ohne die Risiken außer acht zu lassen.
      Und es bleibt spannend!

      Herzliche Grüße
      Gesa

      Antworten
  1. Liebe Gesa

    Ich arbeite in der IT eines grossen Versicherungskonzern und führe mehrere agile Teams. Ich finde Deine Thesen spannend, kann allerdings nicht überall die Meinung teilen.
    Ich persönlich glaube nicht, dass es in Summe wirklich weniger Online-Meetings werden. Denn die hybride Arbeitsweise wird zumindest bei uns als Standard bleiben. D.h. selbst, wenn Meetings vor Ort stattfinden, sind immer jeweils auch Mitarbeitende aus dem Homeoffice zugeschaltet, die an dem Tag nicht da sein können. Es sei denn, es handelt sich um Workshops o.ä. wo das absolut keinen Sinn macht. Wir haben dafür spezielle Videokonferenz-Systeme.
    Womit Du absolut recht hast, ist dass wir bewusster unterscheiden müssen, was als Präsenz Event stattfinden soll und was Online ok ist. Denn wir sparen extrem viel CO2 ein, seitdem weniger Dienstreisen stattfinden, die man sehr gut auch online abhandeln kann.
    Und mit einem weiten Punkt hast Du ebenfalls recht: AI wird unsere Arbeit in Zukunft noch sehr beeinflussen. Einiges davon positiv, anderes wird eher schwierig und herausfordernd.

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    • Liebe Yvonne,

      ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar und Deine Einschätzung zu dem Thema. Ja, ich stimme Dir zu, dass es vermutlich in Zukunft deutlich weniger reine Präsenz-Meetings geben wird, sondern Online-Meetings oder Hybride Meetings.
      Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass wir zukünftig deutlich weniger Meetings machen müssen, um konzentriert arbeiten zu können. Ständige Ad-hoc-Meetings, die einen aus dem Arbeitsfluss reißen, wird es nicht mehr geben. Das wird noch dauern, bis es soweit ist. Aber der Fachkräftemangel wird aus meiner Sicht diese Tendenz verstärken und notwendige Änderungen erzwingen.

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