Inklusive Hochschule

20 Studierende bewegen sich im Tanzsaal der Hochschule für Künste im Sozialen in Ottersberg. Ihr Dozent Hans-Joachim-Reich gibt Anweisungen. Unter den jungen Tänzern sind auch Erik Bernsen und Amelie Gerdes. Beide haben Lernbeeinträchtigungen: Erik hat eine sogenannte globale psychomotorische Entwicklungsstörung. Amelie hat Trisomie 21.
Trotz ihrer kognitiven Beeinträchtigungen sind die beiden jungen Erwachsenen für das reguläre Studium „Tanz und Theater im Sozialen“ eingeschrieben.

Möglich macht das ein Modellprojekt mit Namen ARTplus, eine Initiative des Hamburger Verbands EUCREA. Er setzt sich für neue Möglichkeiten der beruflichen Qualifizierung für Kreative mit Behinderung ein. Die Finanzierung wird durch öffentliche Fördergelder und mehrere Stiftungen sichergestellt.
Die Hochschule für Künste im Sozialen in Ottersberg bei Bremen ist die erste, die Menschen mit Behinderung ein reguläres Bachelor-Studium ermöglicht. Mit einer „Begabtenprüfung“ war die Zulassung für Erik Bernsen und Amelie Gerdes auch ohne Hochschulzugangsberechtigung möglich.

Inklusion in der Hochschule heißt: Die Studierenden nehmen Rücksicht aufeinander, fragen, ob Erik und Amelie Unterstützung benötigen, ob diese oder jene Bewegung machbar ist. Und auch wenn es zwischendurch Diskussionen gibt, schaffen sie es am Ende der Stunde, gemeinsam eine Performance auf die Beine zu stellen.

Was in den künstlerischen Seminaren schon gut klappt, ist in den wissenschaftlichen Kursen noch schwieriger. Die ARTplus-Studierenden haben jeweils eine künstlerische Assistenz, die bei Fragen oder Unklarheiten vermittelt oder auch Protokolle in einfacher Sprache anfertigt. So können die ARTplus-Studierenden das Gelernte noch einmal zu Hause nacharbeiten.

Inklusion bedeutet Herausforderung. Gemeinsam wird diskutiert, wie ein Studium aussehen kann, das allen gerecht wird, niemanden unterfordert, aber auch niemanden überfordert. Hans-Joachim Reich moderiert viele dieser Krisengespräche. Der Professor für Tanz und Bewegung räumt ein, dass das inklusive Studium noch in der Entwicklung ist. Dass es knirscht, sieht er als positives Zeichen.

Das Projekt ARTplus läuft erst einmal bis 2023. Wie es danach weitergeht und ob die Hochschule auch zukünftig Menschen mit Lernbeeinträchtigungen ein reguläres Studium ermöglichen kann, ist noch offen. Die aktuellen ARTplus-Studierenden Erik Bernsen und Amelie Gerdes sollen aber auf jeden Fall die Möglichkeit bekommen, ihr Studium hier in Ottersberg zu beenden.

Diese Geschichte wurde auf Deutschlandfunk Kultur veröffentlicht.

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