“Worte wirken immer” – Interview mit Siglinde Czenkusch über Positive Sprache

Diese Woche durfte ich ein Interview mit Siglinde Czenkusch führen. Sie ist Expertin für das Thema Positive Sprache. Ich spreche mit ihr darüber, wie Sprache in der Kommunikation mit uns selbst und in Gesprächen mit anderen wirkt. Positive Sprache lässt sich auch wunderbar in Meetings einsätzen: beim Feedback geben, in der Retrospektive oder in der Formulierung von Zielen, Vereinbarungen und Entscheidungen.

Wie bist du dazu gekommen, dich mit positiver Sprache zu beschäftigen?

So ganz genau weiß ich nicht mehr, was mich dazu gebracht hat, das Thema bewusst zu betrachten. Wahrscheinlich die Gründung und Führung meiner Praxis für Logopädie. Als ich einige Jahre bereits selbstständig war und viele Angestellte in meiner Praxis tätig waren, habe ich mich immer mehr mit Marketing, Serviceorientierung und Kundenbindung beschäftigt. Und für diese Bereiche kommt es auf eine gute Wortwahl, auf eine positive und zugewandte Kommunikation an. Zeitgleich habe ich mein Studium zur Individualpsychologischen Beraterin begonnen. Die Individualpsychologie ist eine humanistische, tiefenpsychologisch orientierte und positive Psychologie. Im Mittelpunkt steht die Erkenntnis, dass wir soziale Wesen sind und sowohl das Verbundensein mit anderen als auch Ermutigung brauchen, um (auch seelisch) gesund zu bleiben. Ermutigung kann durch andere erfolgen, aber auch durch uns selbst. Folglich können wir uns selbst auch entmutigen, zum Beispiel sehr effektiv durch negative Selbstgespräche.
Es ist wirklich sehr erhellend, wenn wir unsere Selbstgespräche achtsamer wahrnehmen und freundlicher mit uns sprechen – so wie zu unseren Lieblingsmenschen.

Später als Dozentin in Institutionen im Gesundheitsbereich (Pflegeheime, Altenheime, Kliniken, (Zahn-)Arztpraxen und Therapieeinrichtungen) habe ich mein Wissen und meine Beobachtungen weitergegeben, damit die Beschäftigten dort für eine ermutigende, wertschätzende und zuversichtliche Atmosphäre sorgen können.

Das Leben wird umso vieles leichter und erfreulicher, wenn wir den Blick auf das Gute richten und diese Haltung auch in unserer Sprache zum Ausdruck bringen.

Siglinde Czenkusch

Was treibt dich an, dich mit dem Thema positive Sprache zu beschäftigen?

Vielleicht ist es das Streben nach Glück? Oder etwas banaler ausgedrückt: Das Leben wird umso vieles leichter und erfreulicher, wenn wir den Blick auf das Gute richten und diese Haltung auch in unserer Sprache zum Ausdruck bringen. Es ist ein großer Unterschied, ob ich sage, dass ich ja noch nicht mal die Hälfte geschafft habe oder ob ich sage, dass ich fast schon die Hälfte geschafft habe. Und damit verdrehe ich nicht die Tatsachen, sondern ich bewerte anders.

Ich merke immer wieder, wie sehr der achtsame Umgang mit Sprache hilft, mit Sorgen und Befürchtungen besser umzugehen. Bei der Parkplatzsuche als Alltagsbeispiel glaube ich nicht an das Universum, dem man seine Wünsche schickt und dann – voilà! – werden alle Wünsche erfüllt. Aber ich fahre los und sage mir bewusst: Ich werde einen schönen Parkplatz finden, irgendwo gibt es einen Platz für mein Auto.

Früher habe ich schon beim Losfahren gedacht: Das wird wieder furchtbar, bestimmt sind alle Plätze belegt und ich fahre 23 mal im Kreis herum! Und schon entsteht ein Bild vor meinen Augen, ein dramatischer Film, der die nervige Parkplatzsuche zeigt. Mein Gehirn weiß leider nicht, dass es nur eine Vorstellung ist und ich als bio-psycho-soziales Wesen reagiere deutlich darauf mit Stressanzeichen.

In welchen Situationen empfiehlst du die Anwendung von positiver Sprache?

  • Immer dann, wenn ich etwas positiv ausdrücken möchte, weil ich es ansprechend oder wohltuend oder gelungen finde. Anstatt: Das ist gar nicht schlecht! Lieber: Das ist richtig gut!
  • Immer dann, wenn ich mich oder andere Menschen ermutigen möchte. Es ist ermutigender, wenn ich sage, was bereits an Fähigkeiten da ist anstatt nur auf die Mängel hinzuweisen.
  • Immer dann, wenn ich freundlich sein möchte, denn da ist die positive Sprache besonders passend! Bedankt sich jemand bei mir, kann ich antworten: Bitteschön, gern geschehen! Oder: Gerne wieder! Oder einfach nur: Bitte! Oft habe ich auch schon folgendes gehört: Nicht dafür! Nichts zu danken! Kein Problem! Mir ist dann irgendwann klar geworden, was mich daran stört. Es ist so, dass das Danke quasi abgewiesen wird – die Liebenswürdigkeit nicht angenommen wird. Und die Wirkung ist da, wenn auch sehr unterschwellig. Aber Worte wirken immer!
  • Immer dann, wenn wir ein Kompliment bekommen. Statt abzuwehren mit: Ach, das habe ich schon lange! Ja, das ist doch selbstverständlich! Ja, aber hier ist es noch nicht so toll! können wir den Zuspruch oder die Anerkennung mit einem fröhlichen Danke annehmen.

Welche Redewendungen möchtest Du am liebsten sofort aus unserem Wortschatz streichen?

  • Kein Problem!“ Dieser Ausdruck wird so oft und so unbedacht genutzt, obwohl er für etwas Zustimmendes stehen soll. Ein Beispiel: Wenn ich meine Freundin Karin in Münster anrufe und ihr sage, dass ich am nächsten Freitag dort in der Nähe ein Seminar gebe und wir ja abends essen gehen könnten und sie daraufhin meint: Kein Problem!, dann klingt ihre Antwort nicht gerade erfreut. Höre ich aber ein Super! Das ist ja klasse!, dann weiß ich, dass sie sich tatsächlich freut. Kein Problem wird unglaublich oft genutzt und verleiht der eigenen Aussage etwas Negatives.
  • Alles gut! Das kann ich wirklich gar nicht leiden! Für mich klingt dieses schnell dahingesagte Alles gut! wie ein Du brauchst nicht weiter zu reden, es ist alles gut“ Aber oft ist ja durchaus nicht alles gut und manchmal wollen wir noch etwas sagen oder näher erklären. Wenn diese Phrase gebraucht wird, um ein Gespräch oder eine Erläuterung abzuwürgen, könnte ich auf die Palme gehen.
  • authentisch: In meinen Seminaren geht es ja immer wieder um das Trainieren von neuen Verhaltensweisen, neuem Sprachverhalten. Da kommt immer wieder mal der Einwand: Dann bin ich aber nicht mehr authentisch! Sicher ist es eine Frage der Definition, was authentisch nun wirklich bedeutet. Aber meine Antwort auf diesen Einwand ist, dass wir uns nicht weiterentwickeln würden, wenn wir in unserem automatisierten Verhalten und Mustern verharren. Klar, neues Verhalten fühlt sich erst einmal nicht stimmig und passend an. Wir brauchen viel Zeit und bewusstes Tun, um ein neues Muster zu etablieren. Dieser Zustand ist zwar vorübergehend, aber er fühlt sich zunächst fremd an. Nicht authentisch wäre dieser Lernprozess, wenn ich als Person mit meinen ganz eigenen Werten nicht überzeugt wäre von der Richtigkeit des zu erlernenden Verhaltens.
    Kleines Experiment dazu: Wenn wir unsere Arme einmal ganz anders als sonst verschränken, wird das wahrscheinlich erstaunlich lange dauern, bis wir unsere beiden Arme in die neue Position gebracht haben. Viele Spaß beim Ausprobieren!

Ich bin der Überzeugung, dass es keine
konstruktive Kritik gibt.

Siglinde Czenkusch

Kann man nicht jede Mitteilung – auch konstruktive Kritik – in positiver Sprache formulieren?

Kritik ist Kritik. Und auch wenn ich die Kritik in einer äußerst wertschätzenden Art vortrage, dabei nicht die Person an sich, sondern ganz sorgfältig nur ihr Verhalten bemängele und auch noch alles mit positiven Worten ausdrücke – es ist und bleibt für den Empfänger der Kritik eine negative Bewertung seines Tuns. In den meisten Fällen können wir auch eine negative Kritik gut verkraften und nutzen sie, um uns zu verbessern. Aber wenn es um wichtige oder emotionale Themen geht, wirkt Kritik erst einmal nicht konstruktiv im Sinne von aufbauend, sondern unter Umständen enttäuschend und sogar niederschmetternd. Das Selbstbild gerät ins Wanken, unsere Kompetenz wird angezweifelt und das ist überhaupt kein angenehmes Gefühl. Das Aufbauende kommt später. Manchmal lernen wir gerade dann ja besonders nachhaltig, wenn wir emotional berührt werden – egal ob positiv oder negativ. Bleiben wir aber im Widerstand oder Abwehr zu den genannten Kritikpunkten, verändern wir unser bisheriges Verhalten eher nicht. Was durchaus auch berechtigt sein könnte.

Inwiefern kann positive Sprache die Beziehung zwischen den beteiligten Personen beeinflussen oder ändern?

Durch eine positive Sprache entsteht Vertrauen, Hoffnung und Sicherheit. Das ist besonders wichtig für Menschen, die Verantwortung für andere Menschen tragen. Anvertraute Menschen können mit ihren Schwierigkeiten und Sorgen besser umgehen, wenn sie sich sicher und gut aufgehoben fühlen. Weniger Angst und Misstrauen führt dazu, dass Menschen sich kooperativer und zugehöriger fühlen können – das Miteinander wird freundlicher und wohlwollender. Deshalb unterstütze ich Menschen, die Verantwortung für andere Menschen tragen, seit einigen Jahren mit meinen Seminaren darin, wie sie ihre Kommunikation verbessern können.

Es ist ein großer Unterschied, ob ich zum Patienten sage: Sie brauchen keine Angst zu haben, das tut kaum weh und dauert nicht lange! Narkosezwischenfälle sind ganz selten!

Oder ich sage zum Patienten: Bleiben Sie so entspannt wie jetzt und vertrauen Sie uns, Sie werden nur ein wenig spüren und schon ganz bald haben Sie es geschafft! Unter Narkose sind Sie so intensiv wie sonst nie in Ihrem Leben beobachtet und in guten Händen!

Einem Kind kann ich sagen: Schade, dass das Buch kaputt ist! Das wird jetzt sehr schwierig und dann sieht es nicht mehr schön aus! Du sollst das Buch doch nicht auf den Boden werfen!

Oder ich begegne dem Kind so: Schade, dass das Buch jetzt kaputt ist. Was können wir tun, damit wir wieder darin lesen können? Denke in Zukunft unbedingt daran, dass du das Buch vorsichtig behandelst und in das Regal stellst. Damit wir alle noch lange darin lesen können.

Und nicht so schnell über den Parkplatz laufen“ Das hören wir ja oft von Eltern, die ihre schon etwas größeren Kinder zur Vorsicht mahnen. Neulich hörte ich von einer Mutter an der Kasse unseres Baumarktes: Geht bitte langsam und konzentriert zum Auto, damit ihr seht, ob ein Auto losfährt!

Bravo!  habe ich da gedacht und die beiden Jungs gingen tatsächlich langsam und umsichtig über den Parkplatz.

Was empfiehlst du Menschen, die mit Positiver Sprache anfangen wollen?

Mein wichtigster Tipp wäre bei sich zuerst hinzuhören. Besonders in den Selbstgesprächen! Das lerne ich wohl nie! Schon wieder vergessen!„Ich und die Technik, das ist einfach nichts für mich! Hoffentlich passiert mir ….. nicht wieder! Es ist sehr hilfreich, bei solchen negativen Gedanken ein klares STOP zu sagen und den Gedanken umzuformulieren. Quasi eine Nachbesserung zu gestalten: Ich werde das nach und nach lernen! Die Technik hat so ihre Tücken aber ich bin ja eine Schlaue und kriege das immer besser hin! Bestimmt wird es sich alles – wie schon so oft – gut fügen!

Viel Erfolg und gute Erkenntnisse beim Üben!

Mit wem würdest du gern in einem Podcast über das Thema Positive Sprache sprechen?

Sehr gerne würde ich mit Anja Niekerken, Podcasterin und Schriftstellerin über dieses Thema sprechen. Ich höre schon eine Weile ihre amüsanten und erfrischenden Folgen zum Thema „Erfolgreich schreiben“ und ich mag sehr ihre fröhliche, positive und pragmatische Art. Sie schafft es, munter und schwungvoll zu erzählen, dabei auch beherzt Punkte anzusprechen, die durchaus negativ sind und natürlich auch benannt werden müssen. Es ist mir immer eine Freude, ihr zuzuhören.
Mich würde im Interview interessieren, woher ihre besondere Art zu sprechen kommt, welche Anteile daran bewusst gelernt sind und was sie über das Thema „Positive Sprache“ denkt.

Über Siglinde Czenkusch

Siglinde Czenkusch ist Logopädin, Individualpsychologische Beraterin, Laufbahnberaterin, Business-Coach, Bloggerin und Autorin.
Mehr über Siglinde Czenkusch findest du auf ihrer Homepage Mut zur Sprache.

Spannende Impulse zu den Themen Sprache, Kommunikation und Mut erhältst du hier in der Frosch-Post, Siglindes wöchentlichem Newsletter.

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