Die heutige Geschichte handelt von der Verwandlung der albanischen Hauptstadt Tirana.
Im Jahr 2000 war die Stadt in einem erbärmlichen Zustand: Sie war äußerst dreckig, vermüllt, marode. Aufgrund der instabilen politischen Situation nach dem Ende der jahrzehntelangen Diktatur war die Stadt zum Paradies für Korruption und organisiertes Verbrechen geworden. Das triste Stadtbild war von grauen sowjetischen Gebäuden geprägt, die nach und nach zerfielen, darunter zahllose illegal errichtete Häuser. Seit 1989 war die Einwohnerzahl um fast 50 % gestiegen.
In diesem Zustand übernahm Edi Rama, Sohn eines Bildhauers und selbst Künstler, das Amt des Oberbürgermeisters. Seine großen Herausforderungen lagen in der leeren Stadtkasse und einer demoralisierten Einwohnerschaft. Das, was ihm als Künstler zur Verfügung stand, war Kreativität und Farbe – und die kamen zum Einsatz:
„Im Spätherbst des Jahres 2000 wurde … ein historisches Gebäude von einer Malerkolonne mit einem kräftigen Orange überzogen. … Mit dem Anstrich hatte man morgens begonnen, und um die Mittagszeit hatte sich auf der Straße eine Menschenmenge angesammelt, die dastand und gaffte. Der Verkehr kam zum Erliegen. Völlig verunsichert fingen die einen Zuschauer an zu schreien, während die anderen in Gelächter ausbrachen, weil sie die gewagte Farbe in all dem Grau derart erschütterte.“
Farbe und Ordnung sorgen für eine Stadt voller Leben und Freude
Diesem Gebäude folgten noch viele weitere. „Bald schon gingen seltsame Dinge vor sich. Die Leute hörten auf, die Straßen zuzumüllen. Sie fingen an, Steuern zu zahlen. Die Ladenbesitzer entfernten die Metallgitter vor ihren Fenstern. … Die Menschen trafen sich auf einmal wieder in Cafés und sprachen davon, ihre Kinder in einer verwandelten Stadt aufwachsen zu sehen.
Nichts hatte sich verändert, außer der Oberfläche. Ein paar Flecken Rot und Gelb, Türkis und Violett. Und doch hatte sich alles verändert. Die Stadt war voller Leben, voller Überschwang. Voller Freude.“
Edi Rama war von 2000 bis 2010 Bürgermeister von Tirana. Für sein Projekt Clean and Green, in dem er nicht nur Gebäude farbig gestaltete, sondern illegale Bauten abreißen und Tausende von Bäumen pflanzen ließ, wurde er von den Vereinten Nationen ausgezeichnet. 2004 hat er die Wahl zum besten Bürgermeister der Welt gewonnen.
Um die Welt nachhaltig besser zu machen, braucht es keine überteuerten Prestigeobjekte, sondern Investitionen, die Freude und Schönheit verbreiten.
Die Zitate sind dem Buch Joyful von Ingrid Fetell Lee entnommen. Die fast märchenhafte Verwandlung Tiranas beschreiben auch Stefan Sagmeister und Jessica Walsh sehr eindrucksvoll in ihrem Ausstellungskatalog Beauty.
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